Teatro Barocco

Opernfestival TEATRO BAROCCO
in Stift Altenburg

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TEATRO BAROCCO 2017
Intendanz: Bernd R. Bienert
Stift Altenburg

 

Bastien und Bastienne

W. A. Mozart (Wien, 1768)

 

Der Hochzeitsbraten

von Franz Schubert

 

Premiere:
Samstag, 8. Juli 2017 | 20 Uhr

 

TERMINE:

  • Samstag, 08.07.2017 – 20:00 Uhr
  • Samstag, 15.07.2017 – 20:00 Uhr
  • Sonntag, 16.07.2017 – 18:00 Uhr
  • Samstag, 22.07.2017 – 20:00 Uhr
  • Sonntag, 23.07.2017 – 18:00 Uhr
  • Samstag, 29.07.2017 – 20:00 Uhr
  • Sonntag, 30.07.2017 – 18:00 Uhr

Stift Altenburg bei Horn

 

Besetzung:

Megan Kahts | Bastienne, Terese
Marcus Pelz | Colas, Caspar
Pablo Cameselle | Bastien, Theobald

 

Inszenierung und Ausstattung | Bernd R. Bienert

Musikalische Leitung | Konstantinos Romanos Papazoglou

Ensemble TEATRO BAROCCO auf historischen Instrumenten

 

 

 

Bastien und Bastienne – Handlung

 

Die Schäferin Bastienne vermeint ihren Liebhaber Bastien an eine Dame aus der Stadt zu verlieren. Sie bittet den Dorfwahrsager Colas um dessen Rat. Colas macht Bastien glauben, dass sich Bastienne in jemand anderen verliebt hätte. Um Bastienne wieder für sich zu gewinnen, bittet er Colas um Hilfe. Colas macht Bastien Hoffnung. Als nun Bastien und Bastienne einander begegnen, gerät Bastien vor Eifersucht außer sich und droht seiner Bastienne damit, falls sie ihn nicht erhören würde, sich im Bach zu ertränken. Doch erst als Bastien ihr seine Liebe gesteht, gewinnt er Bastienne wieder für sich. Die beiden umarmen einander und danken Colas für dessen Vermittlung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bastien und Bastienne - Szenenfotos

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Der Hochzeitsbraten - Szenenfotos

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Fotos © Barbara Pálffy

 

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TEATRO BAROCCO dankt Dr. Michael Hüttler für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung
seines Textes.

Mozarts Bastien und Bastienne | Michael Hüttler

Geschichte des Sujets

Das Sujet von Wolfgang Amadeus Mozarts „deutscher Operette“ Bastien und Bastienne (KV 50) ist französischen Ursprungs: es geht zurück auf Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) und dessen Intermède (‚Zwischenspiel‘) Le devin du village (‚Der Dorfwahrsager‘), uraufgeführt vor König Ludwig XV. (1710–1774, reg. 1715–1774) am 18. Oktober 1752 in Schloß Fontainebleau. Die Pariser Erstaufführung fand am 1. März 1753 in der Académie Royale de Musique statt.[01] Rousseau ist heute hauptsächlich als Philosoph bekannt – von ihm stammt jedoch nicht nur der Text, sondern auch die Musik dieser Schäferoper. In der Schäferdichtung wurden die städtischen feinen Manieren, mit denen moralische Verderbtheit bemäntelt wird, einem einfachen, aber aufrichtigen Leben auf dem Land gegenübergestellt.

Pariser Parodie

Rousseaus überaus erfolgreiche Oper[02] war Vorlage für die Parodie Les amours de Bastien et Bastienne von Marie-Justine-Benoîte Favart (1727–1772) und Harny de Guerville (Lebensdaten unbekannt), uraufgeführt am 4. August 1753 in Paris.[03] Während bei Rousseau die Darsteller in Gesellschaftskleidern auftraten, wurden sie bei Favart in bäuerlicher Kleidung auf die Bühne gebracht und sprachen ein stilisiert bäuerliches Idiom (français populaire). Das Stück ist eine Opéra-comique; das Genre, entstanden auf den Pariser Jahrmärkten (Foire St. Germain, Foire St. Laurent), verbindet gesprochenen Text mit Liedern. Die Parodie erlebte, wie im nächsten Abschnitt noch ausgeführt, schon zwei Jahre später ihre französischsprachige österreichische Erstaufführung – zum leichteren Verständnis verwendete man dabei jedoch eine Textfassung in Normalfranzösisch.[04]

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Wien

Ab Jänner 1755 unterhielt Graf Giacomo Durazzo (1717–1794), der damalige „Generalspektakeldirektor“ am Wiener Hof,[05] mit Graf Starhemberg, dem österreichischen Botschafter in Paris, eine Korrespondenz über Pariser Neuerscheinungen. Möglicherweise hat Durazzo dabei zum ersten Mal von Les amours de Bastien et Bastienne erfahren. Starhemberg vermittelte Durazzo auch die Beziehung zu Favart.[06] Bald darauf wurde Les amours de Bastien et Bastienne erstmals in Österreich auf die Bühne gebracht: am 16. Juni 1755 im Schloßtheater Laxenburg bei Wien[07] bzw. am 5. Juli 1755 in Wien am Burgtheater.[08] 1759 ernennt Durazzo in einem Schreiben Favart zum Korrespondenten und ersucht ihn um Ratschläge für das Wiener Theater.[09]
In den Jahren 1761 bis 1763 wurden in Wien, am „Theatre près de la Cour“ (‚Theater nächst der Burg‘ = Hofburgtheater), beide Stücke, Les amours de Bastien et Bastienne und Le devin de village, in französischer Sprache gespielt. Philippe Gumpenhuber vermerkt in seinen Aufzeichnungen für das Jahr 1761, daß auch „Un Ballet pour le Devin de Village“ sowie „Un autre nouveau Ballet pour le Devin de Village“ gegeben wurden.[10] Dies alles verweist auf das damals herrschende große Interesse an dem Sujet.
Wohl auf Anordnung von Generalspektakeldirektor Durazzo übersetzte 1764 der Schauspieler, Stückeschreiber und Direktor des Kärntnertortheaters, Friedrich Wilhelm Weiskern (1711–1768)[11], das Stück Les amours de Bastien et Bastienne und gab ihm den Titel Bastienne, Eine Französische Operacomique.[12] Die Dialoge sind in Prosa und fast wörtlich, Arien und Ensembles in gereimten Versen und, wie bei Versen zumeist erforderlich, freier übersetzt. Als Grundlage für die Übersetzung verwendete Weiskern jenen Text, welcher anläßlich der Laxenburger Aufführung 1755 gedruckt worden war. Daß diese Version als Vorlage diente und nicht das originale Pariser Libretto, geht unter anderem daraus hervor, daß in der Laxenburger Fassung eines der Pariser Lieder fehlt und dieses auch bei Weiskern nicht aufscheint. An der Übersetzung wirkte – wohl von Weiskern herangezogen – der Schauspieler Johann Heinrich Friedrich Müller (1738–1815)[13] mit; sein Anteil an der Bearbeitung betrifft vorwiegend die Arientexte und ist im Druck mit Anführungszeichen gekennzeichnet. Die Weiskern/Müller’sche Übersetzung stand ab 5. Mai 1764 auf dem Spielplan des Kärntnertortheaters.[14]

Weitere Verbreitung

Bald nahmen auch andere Schauspielgesellschaften das Stück in ihr Repertoire auf, wie beispielsweise das professionelle Kindertheater von Felix Berner (1738–1787) oder die Truppe des Johann Joseph Felix von Kurz (1717–1784).

Mozarts Begegnung mit dem Sujet

Wann Wolfgang Amadeus Mozart (Salzburg 27. Jänner 1756 – 5. Dezember 1791 Wien) mit dem Stoff in Berührung kam, ist nicht überliefert. Mehrere Möglichkeiten kommen dafür in Betracht.

Wien

Die erste Wiener Reise der Familie Mozart dauerte von 18. September 1762 bis 5. Jänner 1763, mit einem Aufenthalt in Preßburg vom 11. bis 24. Dezember 1762. In den Briefen Leopold Mozarts (1719 Augsburg – 1787 Salzburg) werden diverse Theaterbesuche in Wien erwähnt.[15]

Auf Reisen

Auch auf der großen Westeuropareise (9. Juni 1763 – 29. November 1766) der Familie Mozart, die in zahlreiche Städte führte, unter anderem in Metropolen wie London und Paris, kann Wolfgang Amadeus mit dem Stoff in Berührung gekommen sein. Dies ist bisher nur in Teilen erforscht.[16]

Salzburg

Nach der ersten Wiener Reise und der Westeuropareise befand sich Mozart von 29. November 1766 bis 11. September 1767 wieder in Salzburg. Im Dezember 1766 besuchte die Berner’sche Truppe die fürst-erzbischöfliche Residenz und gab nach den Weihnachtsfeiertagen, vom 9. Jänner bis 15. Februar 1767, ihre Vorstellungen; auf dem Repertoire stand auch Les amours de Bastien et Bastienne, vermutlich in einer Fassung, deren Musik dem Prager Kapellmeister Johann Baptist Savio zugeschrieben wird.[17] Es ist nicht unmöglich, daß Mozart bei dieser Gelegenheit mit dem Stoff und einer Übersetzung[18] bekannt wurde.
Aus Salzburg stammt auch eine weitere Übersetzung dieses Werkes – eine undatierte Bearbeitung der Weiskern/Müller’schen Übersetzung durch Johann Andreas Schachtner (1731–1795).[19] Dieser nimmt am Text einzelner Nummern unwesentliche Änderungen vor, überträgt jedoch die Prosa-Dialoge in gereimte Verse (Alexandriner); dies deutet darauf hin, daß die Dialoge in Musik gesetzt werden sollten. Schachtner war Trompeter und wie Leopold Mozart Mitglied der Salzburger Hofkapelle; die Familien waren auch privat miteinander befreundet. Daher läßt sich vermuten, daß die Bearbeitung des Textes von Leopold veranlaßt oder angeregt worden sein könnte; dafür gibt es jedoch keinen Nachweis.
Der Blick auf die autographe Partitur zeigt, daß Schachtners Änderungen am Text weder von Mozart noch von seinem Vater in die originale Partitur eingetragen worden sind, sondern von einer dritten, bisher nicht identifizierten Hand, von der auch die auf Schachtners Text neu in Musik gesetzten Rezitative niedergeschrieben wurden.

Dokumente zur Entstehung des Werkes

Wann Wolfgang Amadeus mit der Arbeit an der Partitur von Bastien und Bastienne begonnen hat – dazu ist, ähnlich wie bei seiner Begegnung mit dem Sujet, wenig bekannt, es lassen sich jedoch begründete Vermutungen anstellen.

Salzburg 1767 / Wien 1768

Möglicherweise hat Mozart bereits 1767[20] in Salzburg mit der Komposition begonnen; eventuell hat Schachtner seine Überarbeitung der Weiskern/Müller’schen Übersetzung im selben Jahr verfaßt – so die allgemeine Annahme in der Mozartforschung.
1768 erschien in Wien – abgedruckt in Rudolf Gräffers Neue Sammlung zum Vergnügen und Unterricht[21] – die Arie Nr. 11 „Meiner Liebsten schöne Wangen“ im Klavierauszug von der Hand Leopold Mozarts, doch mit verändertem Text. Die erste belegte Erwähnung von Bastien und Bastienne findet sich in einem Verzeichnis, das Leopold offensichtlich während der zweiten Wien-Reise (11. September 1767 – 5. Jänner 1769)[22] erstellt hat. Zweck dieser Reise war die Erlangung eines Auftrags an Wolfgang zur Komposition einer opera buffa für das kaiserliche Theater. Dabei entstand La finta semplice (,Die verstellt Einfältige‘, KV 51), nach einem Text von Carlo Goldoni, bearbeitet von Marco Coltellini; es kam jedoch zu keiner Aufführung. Leopold Mozart wendet sich am 21. September 1768 in einer Audienz bei Kaiser Joseph II. gegen den damaligen Theaterimpresario Giuseppe Afflisio (1722–1788)[23], der die Uraufführung von La finta semplice durch Intrigen verhindert habe; zum Beweis überreicht er dem Kaiser eine Species facti (‚Darstellung des Sachverhalts‘). Beigelegt war ein Verzeichnis, das Leopold vielleicht schon in Salzburg begonnen, jedenfalls in Wien fertiggestellt und ins Reine geschrieben hatte: das Verzeichniß alles desjenigen was dieser 12jährige Knab seit seinem 7ten Jahre componiert, und in originali kann aufgezeiget werden.[24] Gegen Ende des Verzeichnisses heißt es unter anderem: „Die operetta Bastien und Bastienne, im Teutschen, hat er kürzlich hier in die Musik gesetzt.“[25] Demnach muß die Partitur vor der Audienz vom 21. September fertig vorgelegen sein; das Wort „kürzlich“ läßt auf die Komposition während der Sommermonate Juli und August 1768 schließen. Das Wort „hier“ scheint darauf hinzuweisen, daß Wolfgang Amadeus die Musik in Wien komponiert hat.

Salzburg 1787

Nach Leopold Mozarts Tod (28. Mai 1787 Salzburg) wurden auf diesem Verzeichnis, von anderer Hand, die Worte „hat er kürzlich hier in die Musik gesetzt“ gestrichen und durch die Jahreszahl „1768“ ersetzt. Die Änderung stammt vermutlich von Wolfgang Amadés Schwester Maria Anna („Nannerl“) oder von dem Salzburger Regens Chori Anton Jähndl (1783–1861), der ihr bei der Ordnung der Papiere aus Leopold Mozarts Nachlaß behilflich war.[26]

Die autographe (eigenhändige) Partitur

Wenn wir Leopold Mozarts Aussage in der Species facti vertrauen, hat Mozart die Oper im Jahr 1768 niedergeschrieben – das heißt in Wien (wir werden darauf zurückkommen); abgeschlossen wurde sie jedenfalls im Sommer 1768 in Wien. Danach beginnt ihre durchaus bewegte Geschichte.

Geschichte

Nach dem anderthalbjährigen zweiten Aufenthalt in Wien kehrt ihr Verfasser – gewiß mit der Partitur im Gepäck – nach Salzburg zurück. In den folgenden Jahren lebt Mozart, wenn nicht gerade auf Reisen, in Salzburg. 1781 bleibt er ohne großes Gepäck in Wien. Hierhin läßt er sich mehrere Male „Sparten“ (Partituren) aus Salzburg nachsenden. In einer dieser Sendungen befand sich wohl auch die Partitur von Bastien und Bastienne.
Nach Mozarts Tod ordnete seine Witwe Constanze (geb. Weber, 1762–1842), gemeinsam mit ihrem späteren zweiten Gatten, dem dänischen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen (1761–1826), den handschriftlichen Nachlaß ihres ersten Mannes. Um die Jahreswende 1799/1800 verkaufte sie den Nachlaß an den damals 24jährigen Musikverleger und Komponisten Johann Anton André (1775–1842) aus Offenbach am Main. Bei der Erbteilung unter Andrés Erben kam das Autograph von Bastien und Bastienne an einen der Söhne des Verlegers, Carl August André, der es 1873 an die Preußische Staatsbibliothek Berlin verkaufte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war das Manuskript verschollen; 1981 ist es in Polen wieder aufgetaucht und befindet sich derzeit in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau.[27]

Beschreibung

Die autographe Partitur von Bastien und Bastienne besteht aus 61 Blättern mit 117 beschriebenen Seiten im Querformat, zehn bzw. zwölfzeilig rastriert.[28]
Die erste Seite des Autographs trägt die Überschrift: „Intrada“ und, von Leopold Mozart hinzugefügt, „Bastien, e Bastiene. di Wolfgango Mozart. 1768 nel suo 12mo anno“ – dies bestätigt die Annahme, Mozart habe das Werk im Jahr 1768 in Wien verfaßt.
Auch im Weiteren finden sich Ergänzungen von Leopold (z.B. am Beginn der ersten Nummer, wo er die Überschrift „Aria 1ma“ und die Tempobezeichnung Andante un poco Adagio hinzufügt).[29]
Auf der ersten Seite des Autographs gibt es einige Nummerierungen, welche die wechselvolle Geschichte der Partitur widerspiegeln: In der linken oberen Ecke lesen wir: „N.8“ (durchgestrichen), darunter „N.6“; dieselben Nummern erscheinen in der rechten oberen Ecke und stammen von Nissen.[30] Am rechten Rand in der Mitte ist „Nro.141“ eingefügt; dies entspricht der „Eingangsnummer“ im Verzeichnis des 1800 an Johann André gelangten Mozart-Nachlasses von Franz Gleissner.[31] Am unteren Rand in der Mitte figuriert die Ordnungszahl „30“ (umrandet); dies ist die Nummer im gedruckten „André-Verzeichnis von 1841“.[32] Gleichfalls am unteren Rand, doch von anderer Hand, stehen technische Angaben zum Manuskript: „61 Blatt 10/1 78“.
Die Partitur ist für eine Orchesterbesetzung mit „2 Flauti, 2 Oboi, 2 Corni, 2 Violini, Viola, Violoncello e Basso (Fagotto, Cembalo ad lib.)“[33] geschrieben sowie für drei Gesangspartien: Bastienne, Bastien und Colas. Bastienne ist im Sopran-Schlüssel notiert, Bastien im Tenor-, Colas im Baß-Schlüssel. Die Partitur umfaßt, nach der „Intrada“, 16 musikalische Nummernund – wie bereits gesagt, von anderer Hand – einige Rezitative.

Fragen um die Uraufführung

Wann Bastien und Bastienne tatsächlich komponiert wurde, ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Von der Mozartforschung wurde bisher nicht ausgeschlossen, daß Mozart bereits 1767 in Salzburg mit der Arbeit an der Partitur begonnen hat. Wenn wir die beiden Aussagen Leopold Mozarts heranziehen, muß dies jedoch ausgeschlossen werden: Leopold schreibt in der Partitur „1768“ und im Mitte September 1768 in Wien für den Kaiser verfaßten Verzeichniß „kürzlich hier“. Demnach kann wenig Zweifel bestehen, daß Bastien und Bastienne im Sommer 1768 in Wien verfaßt wurde.

Wien

Nicht nur Leopold Mozarts Verzeichniß und seine Beschriftung der Partitur, auch der Textvergleich und die Wasserzeichenanalyse[34] weisen darauf hin, daß 1768 als Jahr und Wien als Ort der Komposition in Betracht zu ziehen sind.
Komponiert wurde Bastien und Bastienne – nach oft wiederholter Darstellung – für eine Aufführung im Gartenhaus des Wiener Arztes und Magnetiseurs Dr. Franz Anton Mesmer (1734–1815) im Oktober 1768, wie Georg Nikolaus Nissen erzählt:

[…] die von ihm [Mozart] für ein Gesellschafts-Theater des bekannten Freundes der Mozart’schen Familie, Dr. Mesmer, componirte deutsche Operette, Bastien und Bastienne, [wurde] in dem Gartenhaus Mesmers in einer Vorstadt Wiens aufgeführt.[35]

Anlaß der Komposition und Ort der Uraufführung sind jedoch nur von Nissen selbst beglaubigt. Zu vermuten ist, daß Nissen diese Details von Constanze erfahren hat, und diese wiederum von ihrem verstorbenen ersten Gatten Wolfgang Amadé. Ein dokumentarischer Nachweis ist bisher nicht bekannt; und auch für weitere Aufführungen zu Mozarts Lebzeiten gibt es kein Zeugnis.

Internationale Verbreitung

Aufführungsbelege für das Singspiel fehlen auch für die ersten hundert Jahre nach Mozarts Tod; die erste Aufführung ist für den 2. Oktober 1890 im Berliner Architektenhaus belegt.[36] Erst nach der ersten dokumentarisch nachgewiesenen Wiener Erstaufführung am 25. Dezember 1891 im K. K. Hofoperntheater[37], in einer neuen textlichen Fassung von Max Kalbeck, schaffte Mozarts Bastien und Bastienne die Aufnahme ins internationale Repertoire. Ab diesem Zeitpunkt verbreitet sich das Werk, beinahe explosionsartig, in ganz Europa – zwanzig Erstaufführungen in den nächsten zweieinhalb Jahren sind belegt: Straßburg (10.4.1892), Brünn (14.4.1892), Koburg (13.9.1892), Mannheim (7.10.1892), Leipzig (12.10.1892), Budapest (in Ungarisch, Übersetzer: A. Radó; 20.11.1892), Graz (28.11.1892), Hamburg (29.11.1892), Berlin (5.12.1892), Basel (19.12.1892), Königsberg (25.12.1892); Karlsruhe (5.3.1893), München (12.4.1893), Braunschweig (23.4.1893), Schwerin (17.9.1893), Stockholm (in Schwedisch, Übersetzer: E. Grandinson; 28.9.1893), Weimar (7.1.1894), Mainz (1.2.1894), Hannover (8.3.1894) und London (26.12.1894). Im 20. Jahrhundert gab es immer wieder Aufführungen des Stückes im Freien, wie etwa zur Eröffnung der ersten Bregenzer Festspiele 1946, immer wieder bei den Salzburger Festspielen[38] oder am 29. Juni 2001 zur Eröffnung des „Heckentheaters“ im Park der Villa Hollitzer (jetzt Gemeindepark) in Bad Deutsch-Altenburg an der Donau, Niederösterreich.

In der Türkei

Mozarts Singspiel kam in der internationalen Operngeschichte im 20. Jahrhundert ein weiteres Mal eine wichtige Funktion zu. 1939 wurde mit einer Produktion von Bastien und Bastienne unter der Leitung von Carl Ebert (1887–1980) am Konservatorium in Ankara der Grundstein für eine – nach westlichen Gesichtspunkten – eigenständige Operntradition in der Türkei gelegt: Erstmals wurde eine europäische Oper mit den Absolventen des neu gegründeten Konservatoriums selbst produziert und in türkischer Sprache aufgeführt.

Mit der Wahl des Stückes und der Aufführung von Bastien und Bastienne am 10. Juni 2011 im Garten des Palais Yeniköy, dem Sitz des Österreichischen Generalkonsulats in Istanbul, wird an zugleich drei historische Bezugspunkte angeknüpft: an die wahrscheinliche Uraufführung des Singspiels im Garten eines Wiener fashionablen Palais 1768, an die Tradition der Opernaufführungen in den Botschaften und Gesandtschaften Konstantinopels des 18. Jahrhunderts, und an die erste Eigenproduktion des staatlichen türkischen Konservatoriums im 20. Jahrhundert.

 

[01]Dazu erschien ein gedrucktes Textbuch: (Jean-Jacques Rousseau:) Le Devin du village. Interméde, Réprésenté A Fontainebleau Devant le Roy, Les 18 & 24 Octobre 1752. & à Paris, Par l’Académie Royale De Musique, Le Jeudy premier Mars 1753. Aux Dépens de l’Académie. Paris: Chez la V. Delormel & Fils, 1753. Auf der Rückseite des Frontispizes ist zu lesen: Les Paroles & la Musique sont de M. Rousseau. ↩

[02]Le Devin du village erlebte in Paris in der Zeit von 1. 3. 1753 bis 2. 6. 1829 insgesamt 544 Aufführungen. Vgl. Rudolph Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], in: NMA (Neue Mozartausgabe), II, 5, 3, 1974, p. VII. ↩

[03]Vgl. Textbuch zur Erstaufführung: (Marie-Justine Favart und Harny de Guerville:) Les Amours De Bastien Et Bastiene [sic], Parodie Du Devin de Village. Par Madame Favart, & Monsieur Harny. Representée pour la premiere fois, par les Comédiens Italiens Ordinaires du Roi, le Samedi 4. Août 1753. […] sowie (Antoine de Léris): Dictionnaire Portatif des Théatres, Contenant l’Origine des Différens Théatres de Paris […]. Paris: Jombert, 1754, p. 26. ↩

[04](Marie-Justine Favart und Harny de Guerville): Les amours de Bastien et Bastiene, Opera Comique. Representé pour la premiere fois a Laxembourg. Le 16. Juin 1755. Seconde Edition. Vienne en Autriche, Dans l’Imprimerie de J. L. N. de Ghelen. M.DCC.LV. (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 132.378-AM). Eine erste Auflage ist nicht bekannt. ↩

[05]Graf Giacomo Durazzo war von 1754 bis 1764 alleiniger „Generalspektakeldirektor“. Der aus Genua stammende Diplomat war bereits 1753 zum „Cavaliere assistente“ der „Oberdirektion über alle Schauspiele in Wien, es mögen Comödien oder Opern sein“ unter dem Grafen Franz Esterházy ernannt worden. Vgl. Franz Hadamowsky: Wien. Theater Geschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien: Jugend und Volk, 1994, pp. 211–212 f. ↩

[06]Vgl. Hugo Blank: Rousseau – Favart – Mozart. Sechs Variationen über ein Libretto. Frankfurt/Main – Berlin – Bern – Bruxelles – New York – Wien: Lang, 1999 (Studien und Dokumente zur Geschichte der romanischen Literaturen, Bd. 38), p. 26. ↩

[07]Libretto siehe Fußnote 4. ↩

[08]Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. VIII. ↩

[09]Vgl. Charles-Simon Favart: Mémoires et Correspondance Littéraires, Dramatiques et Anecdotiques. Paris: L. Collin, 1808, pp. 1-2. ↩

[10]Vgl. Philippe Gumpenhuber: Repertoire de tous les Spectacles qui ont été donné au Theatre près de la Cour, 1761–1763. Gumpenhuber war Sous-Directeur des Balletts und verfaßte ein nicht vollständig erhaltenes tagesgenaues Repertoire für die Ära Durazzo. ↩

[11]Weiskern, Sohn eines Rittmeisters, stammte aus Eisleben (Sachsen), kam 1734 nach Wien und trat 1735 in das Ensemble des Kärntnertortheaters ein. 1741 wurde das Hofballhaus am Michaelerplatz nach seinen Plänen zum Hofburgtheater umgebaut; von 1763 bis 1767 war er Direktor des Kärntnertortheaters. Er war ein beliebter Stegreifschauspieler (Odoardo), verfaßte angeblich ca. 150 Stücke und erarbeitete eine Topographie von Niederösterreich in drei Bänden, die posthum erschien. Nach Weiskerns Tod (Dezember 1768) verschärfte Joseph II. 1770 das bereits bestehende Extemporierverbot und untersagte den Schauspielern das „aus dem Stegreif reden“. Vgl. Hadamowsky: Wien. Theater Geschichte, pp. 236-237. ↩

[12]Friedrich Wilhelm Weiskern: Bastienne, Eine Französische Operacomique. Auf Befehl in einer freyen Uebersetzung nachgeahmet von Friedrich Wilhelm Weiskern. Wien: Kraußischer Buchladen, 1764. (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 641.433 II.8 A.M.S.) ↩

[13]Johann Heinrich Friedrich Müller war Schauspieler und Regisseur am Burgtheater, verfaßte mehrere Werke zur Geschichte des Wiener Theaters, hatte die „Direction über die Oper“ (1778/79) und gründete 1779 eine „Theatralpflanzschule“ (Schauspielschule). Die Aufführungen seiner Schüler fanden im Kärntnertortheater statt. Vgl. Hadamowsky: Wien. Theater Geschichte, p. 463. ↩

[14]Vgl. Ernest Warburton (Hg.): The Librettos of Mozart’s Operas. Bd. 1: The Sources. London-New York: Garland Pub., 1992, p. X. ↩

[15]Zu den damaligen Theaterbesuchen der Mozarts vgl. Hans Ernst Weidinger: Il Dissoluto punito. Untersuchungen zur äußeren und inneren Entstehungsgeschichte von Lorenzo da Pontes & Wolfgang Amadeus Mozarts ‚Don Giovanni‘. Univ. Diss. Wien: Universität Wien, 2002, Bd. II, pp. 129-130. ↩

[16]Angermüller schließt für die ersten beiden Parisaufenthalte der Mozarts (18. November 1763 – 10. April 1764 und 10. Mai 1766 – 9. Juli 1766) eine Begegnung mit dem Stoff aus. Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. VIII. ↩

[17](M.-J.-B. Favart? und Johann Baptist Savio?:) Les amours de Bastien et Bastiené. [sic] Operette comique de representer dans le nouveau Teatre de Prague Dans le Carneval de l’an 1763. (Exemplar in Prag, Národni Knihovna Ceské Republiky, Df 1309). ↩

[18]Angermüller vermutet, daß Savio die Weiskern/Müller’sche Übersetzung verwendet hat. Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. X. ↩

[19]Johann Andreas Schachtner: Bastienne. Eine französische operacomique. Aus einer prosaischen Übersetzung In Verse gebracht. Von Andree Schachtner H: S: H: T. [Hochfürstlich Salzburgischer Hof-Trompeter]; die Handschrift befindet sich im Eigentum der Internationalen Stiftung Mozarteum. Eine Druckversion dieses Librettos ist nicht bekannt. ↩

[20]Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. XII. Angermüller bezieht sich dabei auf: Théodor de Wyzewa et Georges de Saint-Foix: W.-A. Mozart. Sa vie musicale et son oeuvre de l’enfance à la pleine maturité (1756 –1773). Essai de biographie critique suivi d’un nouveau catalogue chronologique de l’oeuvre complète du maître. I. L’enfant-prodige. Paris, 1936, p. 238. ↩

[21]Vgl. Köchelverzeichnis, 6. Aufl., hg. v. Franz Giegling, Alexander Weinmann und Gerd Sievers. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 1964, p. 70. – Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. XIV. ↩

[22]Vgl. Rudolph Angermüller und Wolfgang Rehm: „Vorwort“ [zu La finta semplice] in: NMA (II, 5, 2, 1), 1983, p. VIII. ↩

[23]Giuseppe Afflisio hatte von 1767 bis 1769 einen Pachtvertrag über Burg- und Kärntnertortheater sowie ab Februar 1768 auch das „Hetz-Privilegium“ inne. Mit letzterem konnte er die damals sehr beliebten Hetzjagden von wilden Tieren veranstalten. Vgl. Angermüller und Rehm: „Vorwort“ [zu La finta semplice], p. XIX. Im Jahr 1770 machte Afflisio bankrott und trat alle seine „Spectacel-Patente“ an Graf Johann Nepomuk Koháry ab. Schließlich wurde er 1779 in Florenz wegen Wechselfälschung zur Galeerenstrafe verurteilt. Vgl. Hadamowsky: Wien. Theater Geschichte, p. 229. ↩

[24]Vgl. Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Deutsch (Hg.): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, 7 Bde., Bd. 1. Kassel: Bärenreiter, 1962, pp. 287-288 (Nr. 144). ↩

[25]Ibidem, p. 289 (Nr. 144). ↩

[26]Vgl. Vgl. Bauer und Deutsch: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. 5. Kassel: Bärenreiter, 1962, pp. 205-206. ↩

[27]Signatur Autograf muzvczny W. A. Mozarta-Mus.ms.autogr.kv 50. ↩

[28]Vgl. Köchelverzeichnis, 6. Aufl., p. 70. ↩

[29]Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. XV, sowie ders., „Kritischer Bericht“ [zu Bastien und Bastienne], 1975, pp. c/3-5. ↩

[30]Vgl. Angermüller: „Vorwort“ [zu Bastien und Bastienne], p. XV, sowie ders., „Kritischer Bericht“ [zu Bastien und Bastienne], p. c/3. ↩

[31]Thematisches Verzeichnis des 1800 an Johann Anton André gelangten Mozart-Nachlasses von Franz Gleissner (mit Kommentar), Offenbach um 1800, (Manuskript). Vgl. Wolfgang Rehm: Mozarts Nachlass und die Andrés. Dokumente zur Verteilung und Verlosung von 1854. Offenbach/Main 1999, p. 6. Franz Gleissner, kurfürstlich-bayrischer Hofmusiker und Lithograph in München, war ab 1799 bei André in Offenbach angestellt. Vgl. Köchelverzeichnis, 6. Aufl., p. XXXVII. ↩

[32]Thematisches Verzeichniß derjenigen Originalhandschriften von W. A. Mozart. geboren den 27. Januar 1756, gestorben den 5. December 1791, welche Hofrath André in Offenbach a. M. besitzt. Netto-Preis fl. 1. Offenbach a. M. 1841. Vgl. Rehm: Mozarts Nachlass und die Andrés. Dokumente, pp. 47, 65. ↩

[33]Vgl. NMA II, 5, 3, p. 2. ↩

[34]Zur Wasserzeichenanalyse vgl. Alan Tyson: Supplement, (Wasserzeichenkatalog). Kassel-Basel-London-New York-Prag: Bärenreiter, 1992 (NMA, Serie X, Werkgruppe 33, Abteilung 2) sowie Michael Hüttler: „Mozarts Bastien und Bastienne. Überlegungen zur Entstehungsgeschichte“, in: Bad Deutsch-Altenburg Chronik 1999–2001, hg. v. der Marktgemeinde Bad Deutsch-Altenburg. Bad Deutsch-Altenburg: Hollitzer, 2001, pp. 183-192, hier p. 188. ↩

[35]Vgl. Michael Hüttler: „Zur Frage der Ur- und Erstaufführungen von Mozarts Bastien und Bastienne“, in: Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts, hg. v. Herbert Lachmayer. Ostfildern: Hatje Cantz, 2006, pp. 593-608, hier p. 595. ↩

[36]Dazu existiert ein gedrucktes Libretto: Text-Buch zu „Bastien und Bastienne“ von W.A. Mozart. und „Heimkehr aus der Fremde“ von Mendelssohn-Bartholdy. Opern-Aufführung der Gesellschaft der Opernfreunde zu Berlin am 2. Oktober 1890. […]. Vgl. Hüttler: „Zur Frage der Ur- und Erstaufführungen von Mozarts Bastien und Bastienne“, p. 600. ↩

[37]Vgl. Hüttler: „Zur Frage der Ur- und Erstaufführungen von Mozarts Bastien und Bastienne“, p. 602. ↩

[38]U.a. 1970 mit Agnes Baltsa in einer Hosenrolle als Bastien. ↩

 

 

 

 

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